Die Ereignisdichte in einer globalisierten Mediengesellschaft verändert die Art wie Politk gemacht wird. Aber auch, wie Politik dargestellt wird. In der Mediengesellschaft buhlen Politiker um Aufmerksamkeit und müssen ihre Themen entsprechend inszenieren. Dabei gilt es, die Balance auf dem schmalen Grat zwischen einer guten Inszenierung und einem schlechten Schauspiel stets zu wahren..
Gedanken zum Verhältnis von Politik und Medien. Ein Essay von Jakob Müller.
Im Januar dominieren die afrikanischen Staaten Tunesien und Ägypten die politische und die mediale Agenda. Zwei Machthaber, die über Jahrzehnte an ihren Posten klebten, werden in den so genannten Twitter- und Facebook-Revolutionen hinweggefegt. Im Februar braust ein nationales Thema durch die deutsche Medienlandschaft. Die Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg wird auseinandergenommen und als Plagiat entlarvt, was zum Rücktritt des Verteidigungsminister führt. Im März reißt ein Erdbeben mit anschließendem Tsunami und drohender atomarer Katastrophe in Japan die vollständige Aufmerksamkeit der Welt an sich. So stark sogar, dass die Proteste, die kurz zuvor in Libyen gegen Machthaber Gaddafi aufgeflammt sind, für eine Woche aus den Medien nahezu verschwinden. Eine Woche später, Gaddafi hat inzwischen die Abwesenheit aller Aufmerksamkeit genutzt und die Rebellen empfindlich zurückzuschlagen, beschließt der UN-Sicherheitsrat die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen, um die Bevölkerung vor den Angriffen der Schergen Gaddafis zu schützen.
Aber das japanische Desaster und der GAU in Fukushima sind nicht vergessen. Sie stürzen Deutschland in eine politische Debatte, die die schwarz-gelbe Regierung eigentlich Anfang September 2010 bereits für beendet erklärt hatte: Die Kernenergie wird im Lichte der Ereignisse von Japan von der Bundesregierung völlig neu gedacht. Hatte man im September noch die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke verlängert, sieht sich die schwarz-gelbe Regierungskoalition nun zu einen U-Turn in der Atompolitik gezwungen. Die Ereignisse in Japan lassen auch die deutsche Atompolitik in einem völlig anderen Licht erscheinen und so sieht sich Angela Merkel dazu gezwungen, ein dreimonatiges Moratorium für die Laufzeitverlängerung auszurufen und kündigt zudem die sofortige Energiewende an. Eine Wende, die Wochen zuvor noch so wahrscheinlich war, wie ein Rücktritt von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Dezember.
Das sind fünf große Ereignisse in den ersten drei Monaten dieses Jahres, die die öffentliche Agenda bestimmt haben. Sie haben die Bundespolitik, und zu großen Teilen auch die internationale Politik, immer wieder zum Handeln gezwungen – ohne wirklich darauf vorbereitet zu sein. Pures Reagieren – das Umsetzen eigener Vorhaben oder Themen geriet dabei völlig in den Hintergrund.
Politik in Zeiten der Globalisierung. Das Themenmeer ist größer geworden, unruhiger, unübersichtlicher, die Wellen höher, der Wind rauer. Ereignisse am andern Ende des Globus können politische Agenden durcheinander wirbeln, Themen setzen, die eigentlich schon durch waren: Aber nun interessiert der verstrahlte Reissack in Japan eben doch den deutschen Wähler! Und das fordert die Politiker heraus. Sie müssen agieren, handeln, Vorschläge machen, beschwichtigen, beruhigen und vorangehen. Die Herausforderungen sind groß, und es erfordert einige Nerven und einen Hang zum Schlafentzug, will man als Politiker auf nationaler und internationaler Bühne bestehen. Wir, als Bürger, erwarten, dass Politiker damit klarkommen, dass sie auch in einer immer schneller werdenden Welt den Takt mit angeben – und nicht zu Getriebenen werden.
Doch was für eine Figur Politiker bei der Erledigung ihrer Aufgaben machen, das erfahren wir aus den Medien. Der Soziologe Niklas Luhmann sagt sogar: „Alles, was wir über die Welt wissen, in der wir Leben, wissen wir durch die Massenmedien.“ Die Massenmedien öffnen uns also das Fenster zu unserer Welt, liefern uns Informationen, Bilder und Geschichten, Fakten und Meinungen. Sie sind maßgeblich dafür verantwortlich, welches Bild wir von der Welt haben. Sie konstruieren unsere Wirklichkeit.
Also auch ganz entscheidend, welches Bild wir uns von unseren Politikern machen. Je weiter sie weg, je unübersichtlicher die Themen sind, desto mehr müssen wir uns darauf verlassen, dass das Bild, welches wir von ihnen und ihrer Arbeit bekommen, realistisch ist. Und nicht nur wie das Bild von ihnen ist – sondern ob und wenn ja wie viele verschiedene Bilder wir von ihnen haben – auch dafür sorgt das Fenster Massenmedien. Worüber nicht berichtet wird, existiert nicht. Der Politikwissenschaftler Ulrich Sarcinelli schreibt: „Wo die Bilder fehlen … entsteht eine merkwürdige Leere, droht eine Art «Wirklichkeitsausfall»“. Nach dem Motto, wenn im Wald ein Baum umfällt, und keiner sieht es – dann ist er nicht umgefallen. Und Sarcinelli ist mit dieser Auffassung nicht allein. Auch Matthias Machnig, der 1998 und 2002 den Wahlkampf für die SPD organisierte, ist der Meinung, dass politische Vorgänge, die nicht durch die Medien und im Einklang mit deren Regeln transportiert würden, für die Bürger nicht existent seien. Und weil die Medien für unsere Wirklichkeitswahrnehmung wichtig sind, ist es auch für Politiker bedeutend, an der Entstehung der Bilder mitzuwirken. Es geht um Aufmerksamkeit. Wer keine bekommt, findet nicht statt – macht nichts, ist bedeutungslos. Wer sich aber gut inszeniert, seine Arbeit kameratauglich umsetzt und dabei für Quote sorgt, dem ist die Aufmerksamkeit gewiss. Und Aufmerksamkeit ist die Währung, die sich am Wahltag auch wieder in harte Wählerstimmen umtauschen lässt. Wer in der vergangenen Legislaturperiode eine gute Show aufs Parkett gelegt hat, der darf, um es mit dem Vokabular von allgegenwärtigen Talente-Shows zu sagen, in den „Recall“. Thomas Meyer meint dazu: „Die Inszenierung der eigenen Politik oder oft auch nur ihrer Ansprüche wird unter dem Inszenierungsdruck, der von den Massenmedien ausgeht, zu einem zentralen Handlungsfeld der Politik selbst.“ Als Konsequenz wird aus unserer klassischen Parteiendemokratie eine Mediendemokratie, in der sich laut Meyer die Rollen vertauschen: „Während in der Parteiendemokratie die Medien die Politik beobachten sollen, mit dem Ziel, dass sich die Staatsbürgerinnen und Staatsbürger eine vernünftige Meinung bilden können, beobachten in der Mediendemokratie die politischen Akteure das Mediensystem.“ Und genau hier wird es problematisch. Denn einerseits räumt Meyer ein, dass die demokratische Politik aus Legitimationsgründen auf die öffentliche Darstellung ihres Vollzugs und ihrer Ergebnisse angewiesen sei, andererseits verweist er aber auch darauf, dass sich die Politik dadurch den Regeln des Mediensystems unterwerfen würde: „Es erhebt sich die Frage, ob Politik unter diesen Bedingungen überhaupt noch in angemessenen Ausmaß ihrer eigenen Logik folgen kann oder in der Hauptsache zum Lieferanten für die spezifischen Bedürfnisse des Mediensystems wird …“
Es scheint unumstritten, dass Inszenierung und Politik heutzutage ein untrennbares Zwillingspaar ist. Politik muss sich kommunizieren. Allein schon um ihrer Legitimation Willen. Das Volk muss wissen, was seine VertreterInnen machen. Und Thomas Meyer hält fest: „Inszenierung gehört mithin zum universalen Grundbestand menschlicher Kommunikation.“ Es muss also inszeniert werden, weil es der Kommunikation immanent ist. Doris Kolesch schreibt in „Politik und Theater: Plädoyer für ein ungeliebtes Paar“: „Form und Inhalt, ein Geschehen und seine Darstellung können nicht trennscharf voneinander getrennt werden. Das Was ist nicht einfach vom Wie zu trennen, vielmehr hat die Art und Weise, wie etwas durchgeführt, gemacht und dargestellt wird, Einfluss auf das, was jeweils gemacht wurde.“ Es kommt dabei also auch zu einer Rückkopplung – die Inszenierung wirkt zurück auf das, was inszeniert wurde, weil der Rezipient ja durch die Form der Inszenierung wieder in seiner Einschätzung des Inhalts beeinflusst wird. Die Inszenierung ist maßgebliche Grundlage seiner Meinungsbildung.
Und Inszenierung ist per se nichts Schlechtes. Inszenierung ist in der Theaterwissenschaft das In-Szene-Setzen, das Verständlich-Machen eines Werkes, eines Buches oder einer Sache. Es ist aber auch immer die Interpretation dessen, der inszeniert. Inszenierung wird im Zusammenhang mit Politik häufig negativ konnotiert. Dabei tut dies der Inszenierung Unrecht. Doris Kolesch argumentiert: „Die Inszenierung einer Situation als theatrales Ereignis, mithin als Inszenierung und Durchführung einer kulturellen Handlung, die von bestimmten Personen vor einem anwesenden Publikum vollzogen wird, schmälert weder die Bedeutung des Geschehens noch zieht sie dessen Ernsthaftigkeit oder gar Realitätsgehalt in Frage.“ Es geht also nicht um Schein oder Sein. In der Inszenierung ist im Schein auch immer das Sein zu finden. „Wer seinen Blick auf die Theatralität einer Situation richtet, der schreibt dieser Situation keineswegs den Status des bloßen Scheins oder der unverbindlichen Fiktion zu, sondern er versucht Einblick zu erlangen in die Verfahren, die Techniken und Strategien, auch Einsicht in die Ordnungen und Rhythmen, die das menschliche Zusammenleben prägen.“, unterstreicht Kolesch. Man kann die Theatralität einer Situation also durchaus als Analyse-Kategorie sehen, die wiederum Aufschluss über den Inhalt dessen gibt, was inszeniert wird.
Doch ganz ist Politik nicht in Theater-Kategorien zu packen, auch wenn Ähnlichkeiten manchmal nicht von der Hand zu weisen sind. Das wird deutlich an der Definition von Theater von Eric Bentley: A spielt B während C dabei zuschaut. Denn in der Politik verschwimmen die Grenzen zwischen A, B und C. Politiker sollten immer A und B zugleich sein. Als authentisch gilt, wer A und B deckungsgleich zusammenbekommt. Und C? Wer ist eigentlich C? C, das sind auch wiederum die Politiker, aber auch die Medien und wir – die Rezipienten. Politiker beobachten, was und wie über ihr Handeln berichtet wird und richten danach auch ihre Folgehandlungen aus. Und da die Medien in erheblichem Maße unsere Wirklichkeit erschaffen (Luhmann), sind sie gleichzeitig auch Akteure an, aber auch auf der Bühne. Sie sind Regisseur und Zuschauer zugleich. Denn sie wählen für uns den Blickwinkel aus, den Fokus und den Ausschnitt. Damit bestimmen sie maßgeblich, wie weit unser Fenster zur Realität aufgestoßen wird. Zwar müssen Medien qua Auftrag durch den Rundfunkstaatsvertrag und die Landesmediengesetze einen „umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen geben“, aber wer entscheidet, was umfassend ist und was die wesentlichen Lebensbereiche sind? „Die wichtigste Funktion der Massenmedien liegt … darin, politische Kultur und den Kampf um die Deutung von politischen Realitäten sichtbar zu machen.“, schreibt Andreas Dörner. Man könnte also auch sagen, dass es darum geht, die „politische Kultur“ und „den Kampf um politische Realitäten“ angemessen in Szene zu setzen.
Aber: Journalisten müssen auswählen, vereinfachen, priorisieren. Auch ihnen sind durch ihre jeweilige Darstellungsform Grenzen gesetzt. Es gibt keinen objektiven Journalismus, keine komplette Darstellung der Realität – das ist schon allein wegen Platz- und Zeitmangel nicht machbar. Zudem kommt bei privaten Medienunternehmen ein wirtschaftlicher Zwang hinzu, der, vor allem in wirtschaftlich schlechten Zeiten, nicht gerade dem Auftrag in die Hände spielt: Sie müssen schlicht Umsatz machen, denn sie sind Wirtschaftsunternehmen. Wer seine Geschichten nicht verkauft, macht irgendwann gar keine Geschichten mehr, weil ihm die Mittel fehlen. Die Medien können den Kampf um die Deutung von politischen Realitäten nur unter den gegebenen Rahmenbedingungen sichtbar machen.
An diesen Beispielen wird klar, dass man das Zusammenspiel von Politik und Medien zwar auch in die Kategorien der Theaterwissenschaften packen kann. Die klare Trennung zwischen A, B und C ist aber mitnichten so einfach zu übernehmen. Politik ist eben kein Theater. Und dennoch benötigt Politik theatrale Elemente. Dass ein gutes Produkt auch eine gute Verpackung braucht, darf aber nicht von der Qualität des Produkts selbst ablenken. Und so ist es auch bei der Inszenierung von Politik: Der Inhalt ist auch in Zeiten der Mediendemokratie entscheidend. Und dabei gilt es, das rechte Verhältnis zu wahren. Dass dieses Verhältnis zuweilen aus den Fugen gerät, wissen wir nicht erst seit Karl-Theodor zu Guttenberg, der sich als moralisch integer und wahrheitsliebender Politiker inszenierte. Die Affäre um seine Doktorarbeit machte die Ambivalenz zwischen seinem Schein und seinem Sein deutlich. Es zeigte aber auch: Wenn die Verpackung gut ist, oder in diesem Falle die Inszenierung der Person, dann kann man auch ein Produkt verkaufen, dass nicht hält, was es verspricht. Die Beliebtheit von Karl-Theodor zu Guttenberg im Volk stieg in den Tagen, in denen die Medien dieses Missverhältnis zwischen Schein und Sein aufdeckten, unentwegt weiter an. Weil Karl-Theodor zu Guttenberg seine eigene Inszenierung beherrschte, er auf den Bühnen von „Wetten Dass?“ und von Johannes B. Kerner einfach eine gute Figur machte und somit zum Publikums- und zum Medienliebling avancierte. Was Karl-Theodor zu Guttenberg betrieb war Politainment in Perfektion. Politainment – das ist die Verknüpfung von Unterhaltung (Entertainment) und Politik – und in in der Unterhaltungskategorie fuhr Karl-Theodor zu Guttenberg Bestnoten ein, die für das Publikum auch auf seine Politik überstrahlten.
Aber Politainment ist in jenem Verhältnis nicht per se gut, wie Inszenierung in der Politik per se schlecht ist. Thomas Meyer mahnt, dass Politainment ins Fleisch guter Politik schneide. Er warnt vor einer Entkopplung von Politik und deren realem Vollzug durch Politainment. Und hier liegen auch die Gefahren von Inszenierung und Politik. Zum einen müssen Journalisten darüber wachen, dass sie einfachen Inszenierungen nicht erliegen und in der Euphorie über gute Bilder und medienaffine Politiker nicht das Hinterfragen der Inszenierung aus den Augen verlieren. Denn auch da liegt ihre aufklärerische Aufgabe, das Produkt nicht nach der Verpackung zu beurteilen, sondern nach dessen Inhalt und Nutzen für die Gesellschaft. Der Blick darf nicht nur auf dem liegen, was gut aussieht, sondern auch auf dem, was notwendig ist, ob Politik ihre Aufgaben erfüllt.
Medien sind schnell, die Jagd nach neuen Geschichten bestimmt das Tagesgeschäft. Journalisten eifern der Nachricht hinterher – sie brauchen stündlich, ja manchmal sogar minütlich Neuigkeiten. Politik in einer demokratischen Gesellschaft hat aber einen anderen Rhythmus. Tissy Bruns vom Tagesspiegel bringt die Diskrepanz zwischen Medienlogik und Politik auf den Punkt: „Politik ist mit oder ohne stündliche Fernsehnachrichten unvermeidlich ein langsamer Prozess.“ Diesen Unterschied im Rhythmus müssen Journalisten akzeptieren, wenn sie ihren Job gut machen wollen. Vielleicht würde es helfen, auch auf der Medienseite manchmal einen Gang runterzuschalten. Dann bliebe auch Zeit für Reflexion. Zeit zum hinterfragen, wie viel Schein ist, und wie viel Sein. Das wird vor allem auch im Zuge einer fortschreitenden Globalisierung wichtiger. Doris Kolesch sieht in diesem Zusammenhang den Handlungs- und Einflussbereich souveräner Staaten schwinden und warnt davor, dass die Inszenierung politischer Entscheidungskompetenz nur das Schwinden des Einflusses politischen Handelns und staatlichen Eingreifens verschleiert. Burkhard Spinnen geht im Freitag (7.4.2011) sogar so weit, dass die Globalisierung der nationalen Politik ihre Grundlage entzieht. Er warnt davor, dass das globalisierte Bewusstsein die Demokratie herkömmlichen Zuschnitts sogar töte.
Vor dem Hintergrund dieses Katastrophenszenarios kann man nur für zweierlei Dinge plädieren:
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Journalisten müssen ihrer Aufgabe einer umfassenden und kritischen Berichterstattung auch in Zeiten gerecht werden, wo ein globales Ereignis das nächste jagt. Sie müssen auch unter Zeitdruck Sorgfalt walten lassen und dürfen nicht der Versuchung erliegen, vorgefertigte Berichte zu übernehmen, weil die Bilder gut sind. Sie bleiben in der Pflicht, zu prüfen, ob die Bilder, die sie transportieren, Schein oder Sein sind. Und sie müssen eingestehen, dass sie Beobachter und Vermittler sind – nicht jedoch Macher.
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Politiker dagegen müssen nach wie vor ihre Aufgabe erfüllen und den langsamen Prozess der Politik vorantreiben. Dabei dürfen sie nicht der Versuchung erliegen, ihre Politik an Quoten und Beliebtheitsskalen auszurichten. Denn die öffentliche Meinung verändert sich schnell. Politik bleibt, wie Max Weber schon sagte, das „langsame Bohren dicker Bretter“. Das man erklärt und verständlich macht, welche Bretter man gerade bohrt, ist verständlich und unabdingbar. Dass man die Arbeit, die man wirklich macht, auch nach Außen transportiert und inszeniert ist ebenso verständlich und notwendig. Aber dennoch dürfen sie nicht aus den Augen verlieren, dass Sie gegenüber ihrer Politik, ihren Programmen und ihren Wählern verpflichtet sind. Nicht nur heute, wo die Quoten von gestern wichtig sind, sondern auch noch morgen und übermorgen, wenn die Hypes und Schocks längst vergessen sind.
Wolfgang Böhmer hat in einem Interview (Die Zeit, 14.04.2011) gesagt, dass ihm über die Jahre als Berufspolitiker klar geworden ist, dass man in der Politik die Welt nicht verbessern könne. Allerdings könne man das Zusammenleben der Menschen ordnen. Und das sei ja schon allerhand. Diese nüchterne Sichtweise auf seine neun Jahre als Ministerpräsident eines Bundeslandes, stünde vielen gut an. Die Politik ist keine große Weltverbesserungs-Show! Politiker sollten im Sinne des Inszenierens, des Verständlich-Machens, ihre Themen, ihr Handeln und ihre Ziele in Szene setzen – je mehr Menschen Sie damit erreichen können, desto besser. Aber beim In-Szene-Setzen sollte dennoch das Werk, also der Inhalt der interpretiert wird, nicht verloren gehen. Die Verpackung Guttenberg in Zeiten einer globalisierten Mediengesellschaft ist gut – das Produkt allerdings verbesserungswürdig.
Verwendete Literatur:
Balme, Christopher: Einführung in die Theaterwissenschaft, 4. Aufl., Berlin 2008.
Bruns, Tissy: Republik der Wichtigtuer, Ein Bericht aus Berlin, Bonn 2007.
Dörner, Andreas: Politik als Fiktion, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 7/2006, S. 3-11.
Kolesch, Doris: Politik als Theater: Plädoyer für ein ungeliebtes Paar, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 42/2008, S. 35-40.
Luhmann, Niklas: Die Realität der Massenmedien, Wiesbaden 2004.
Meyer, Thomas: Die Theatralität der Politik in der Mediendemokratie, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 53/2003, S. 12-19.
Meyer, Thomas: Die Theatralität der Politik, In: Siller, Peter/ Pitz, Gerhard (Hrsg.): Politik als Inszenierung, Zur Ästhetik des Politischen im Medienzeitalter, Baden-Baden 2000, S. 117-121.
Sarcinelli, Ulrich: Politische Inszenierung im Kontext des aktuellen Politikvermittlungsgeschäfts, in: Arnold, Sabine u.a. (Hrsg.): Politische Inszenierung im 20. Jahrhundert: Zur Sinnlichkeit der Macht, Wien 1998.
Spinnen, Burkhard: Die tragischen Verlierer, in: Der Freitag, 07.04.2011.
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