Es ist Dienstag Morgen, als wir unser Paradies-Hostel in Kuzhupilly Beach verlassen. Rob hat uns in sein Auto geladen, weil wir noch zum Geldautomaten müssen, damit wir unseren Aufenthalt bei ihm noch bezahlen können. Wir holen Geld, zahlen und winken uns den nächsten Bus nach Cochin ran.
Nach einer Stunde stehen wir auf dem etwas heruntergekommenen Busbahnhof der Stadt und setzen uns gleich in den nächsten kleinen Bus, der uns bis nach Allepuzzah, oder auch Aleppy im Süden bringen sollte. Zwei Stunden später kamen wir dort an, von woaus unsere Reise auf dem Waseer weitergehen sollte. Um 14 Uhr wollten wir die Public Ferry durch die Backwaters nach Kottayam nehmen. Zwar bieten unzählige Agenturen ihre Wassertaxi und Shuttle-Dienste in den Backwaters an, aber zum einen kosten die gut und gern das zehn bis zwanzigfache, andererseits ist es viel spannender mit dem öffentlichen Verkehrsmittel über die großen Gewässer im Hinterland der Westküste zu dümpeln.
(Der Wasserbus wird in Aleppy bereitgestellt)
Die Backwaters kann man sich als einem riesigen Spreewald vorstellen, oder auch ein sehr ländliches Venedig im Großformat. Es gibt unzählige Wasserstraßen, die allerdings wesentlich breiter als ihre kleinen Geschwister im Spreewald sind, und auf riesigen Feldern dazwischen wird großflächig Reis angebaut. Häufig auch unter dem Wasserniveau der Backwaters. Auf kleinen Flächen an den Mauern, die die Felder vor der Überflutung durch die Wasserstraßen schützen, stehen Wohnhäuser, Platz ist manchmal gerade für eine einfache Hütte mit einem kleinen Hof, den Bootsanleger und ein paar Treppen.
Der Wasserbus fährt deshalb auch von Anfang an im Zickzack über die Strassen, setzt Leute hier ab, nimmt andere da auf. Menschen, die von der Arbeit auf den Feldern, vom Einkaufen in Aleppy in ihre Häuser in den Backwaters zurückkommen, andere, die noch woanders hinwollen.
Auf der Fahrt begegneten wir zahlreichen Hausbooten, die vor allem von Touristen zum Erkunden der Backwaters gemietet werden. Die häufig zweistöckigen Boote mit Bambusflechtdächern, die rund von einer bis zur anderen Seite reichen, werden von einem Käpt’n am Steuerrad ganz vorn an der Bootsspitze gesteuert. Dahinter lungern häufig wenige (weiße) Touristen auf dicken Sesseln oder an Esstischen herum und beschauen sich im schwimmenden Wohnzimmer die Wasserlandschaft.
(Hausboote auf den Backwaters)
Nach zweieinhalb Stunden kamen wir mit der Fähre in Kottayam an. Der Plan war eigentlich, mit dem Bus noch weiter nach Kumily in die Westghats zu reisen, aber einer der unzähligen Streiks ins Kerala machte unserem Plan einen Strich durch die Rechnung. Wir strandeten in der quirligen und lauten Stadt, die nicht nur auf dem ersten Blick nicht sehenswert ist, und daher hervorragend zu einer schnellen Weiterreise animiert. Anfangs hatten wir Probleme, ein Hotel oder Hostel zu finden, denn alle empfehlenswerten in unserem Führer waren ausgebucht. Erst das fünfte, das wir mit einer Rikscha ansteuerten, hatte Platz. Wir teilten uns ein Zimmer zu Dritt, verzichteten auf die zusätzliche Bodenmatratze und entschieden, lieber zu Dritt das Doppelbett zu teilen, dass genug Platz für alle bot.
Nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten, gingen wir zum Abendessen und landeten in einem hervorragenden keralischen Restaurant. Wir tranken Ingwer-Lemon-Mint-Soda und genossen unglaublich gutes Paneer Butter Masala (Tomatencurry mit einer Art Fetaköse), Kerala Roti (Hauchdünnes Fladenbrot), Ingwer Chicken und die köstlichste Raitha Südindiens.
Raitha, das ist ein Joghurt mit Zwiebel, Gurke, Tomate und fein geschnittenen Karotten – für mich schon eines der schmackhaftesten Sachen seit meinem ersten mal Indien. Aber diese Raitha war unglaublich – lecker! Den Abend wollten wir eigentlich bei einem Bierchen in einem benachbarten Hotel ausklingen lassen, aber als wir sahen, dass in der Bar nur halb angetrunkene indische Männer soffen, haben wir entschieden, es sein zu lassen. Abgesehen davon schauen Inder ohnehin eher schief, wenn Frauen in eine Bar gehen – manchmal auch ekelhaft geil – zumindest jene im angetrunkenen Zustand. Es fällt also durchaus leicht, wenn man als Gruppe mit überwiegend weiblichen Anteil unterwegs ist, sich guten Gewissens gegen eine Bar zu entscheiden.
Am nächsten Morgen nahmen wir den Bus nach Kumily. Nach einer Weile kamen wir schon bald auf eine wunderschöne Bergstrecke. Wir schlängelten uns durch tropische Wälder immer weiter nach oben, es wurde zunehmend grüner, später auch frischer und nebliger, bis wir in die Höhen der ersten Tee- und Gewürzplantagen kamen.
(Die ersten Teeplantagen auf dem Weg nach Kumily)
Viereinhalb Stunden brauchten wir durch eine atemberaubende Landschaft durch die Westghats, bis wir an den Grenzen des Periyar-Nationalparks ankamen. Rob aus Kochi hatte uns ein wirklich feines Hostel am Waldrand empfohlen, von woaus wir eine weite Urwaldlichtung überblicken konnten. Außer Dschungelgeräuschen war dort praktisch nichts zu hören – nur ohrenbetäubendes Zirpen der Grillen, Affenschreie und Vogellaute.
(Blick aus unserem Zimmer während des abendlichen Regens)
Obwohl uns für den nächsten Tag schon eine Menge Touren vorgeschlagen und verkauft werden sollten, entschieden wir uns, unserer eigenen Nase zu vertrauen und selbst eine kleine Wanderung durch Teeplantagen zu planen. Wir suchten uns einen Ort in den Bergen aus, durch den wir auf der Herfahrt gekommen waren und der umgeben von Teeplantagen war. Diesen steuerten wir mit einem lokalen Bus an und ließen uns kurz vorher herauswerfen. Dann suchten wir uns einfach der Nase nach Pfade und Wege durch die Teefelder, versuchten vergeblich in eine Teefabrik reinzuschauen, die am Wegesrand lag (Unfortunately we don’t make visits for foreign visitors – für andere aber wahrscheinlich auch nicht) und genossen es, einfach so für uns durch die wunderschönen Geometrien dieser unglaublich beeindruckenden grünen Landschaft zu wandern.
(Die Reisegruppe in den Plantagen)
(Tee – soweit das Auge reicht. Landschaft voller beeindruckender Linien und Formen)
Gegen die Sonne hatten wir uns nicht geschützt, was dann am Abend auch mit dem ersten Sonnenbrand für jeden einzelnen von uns belohnt wurde. Am späten Nachmittag hatten wir dann schließlich doch noch einen Besuch in einer Teefabrik bekommen, schauten uns die verschiedenen Prozesse an, bis das schwarze, aromatische Pulver daraus wird – und fuhren mit dem nächsten Lokalbus zurück nach Kumily.
Gestern dann starteten wir den Tag in aller Frühe. Um sieben Uhr hatten wir eine Verabredung mit einem Parkranger im Periyar Wildlife Park, der mit uns eine mehrstündige Morgenwanderung durch den Nationalpark unternehmen sollte. Um 7.30 Uhr zogen wir uns Übersocken über die Hosen, da Blutegel im Urwald besonders hungrig und gierig sind. Dann setzten wir mit einem sehr rudimentären Bambusfloß auf die andere Seite des Seearmes über (Christin musste uns mit einem Seil auf die andere Seite ziehen) und die Tour begann.
(Die kleine Floßfähre)
Am Ufer entlang liefen wir durch savannenartige Landschaft. Immer die Augen offen und hoffend, dass Elefanten, Tiger, Wildschweine oder andere Tiere auftauchen würden. Aber zum Großteil erfreuten uns Affen und etwas unangenehm große Spinnen, bis wir am Ende der Tour doch noch Elefanten zu sehen bekamen. Und man darf sagen, dass dies tatsächlich aufregend war, da man sich doch in der Nähe einer solchen Kuh mit ihrem Jungen als Mensch doch recht klein und zerbrechlich vorkommt.
Am Vormittag waren wir wieder zurück im Hostel und erholten uns von unserer wunderschönen, ruhigen, morgendlichen Dschungeltour. Am Nachmittag wollten wir uns einen Gewürzgarten etwa 6 km außerhalb anschauen gehen, und dafür wollten wir wieder ein wenig Fitness tanken.
Also stiegen wir erst gegen zwei wieder ins Tuktuk und rollten bergauf ins Spring Valley zu Abrahams Spice Garden. Ein wunderschöner, schattiger und unglaublich artenreicher Garten, den Abraham zu bieten hat. Übernommen hat er ihn von seinem Vater, der damit wohl schon vor fünfzig Jahren begonnen hatte. Und so bekamen wir eine beeindruckend, lehrreiche Führung, sahen Curryblätter und Pfeffer wachsen, scharfe Vogelchili sprießen, Kardamom, Basilikum, Zitronengras, Ananas, Elefantenzitronen und rote Auberginen wachsen, kosteten ausgiebig und begeistert jedes neue Blättchen und Muskatnüsschen und waren schlicht: beeindruckt!
(Pfeffer schlängelt sich den Baum hinauf)
(Pfefferkörner am Baum)
(Kardamom-Pflanzen)
So begeistert waren wir, dass wir kurzerhand unseren Plan, Gewürze in Kumily zu kaufen, über den Haufen warfen, und einen regelrechten Großhändlereinkauf bei Abraham noch absolvierten. Mit einer Menge Currys, Chilis, Masalas und Kardamom machten wir uns glücklich auf den Heimweg. In Kumily war den Mädels noch Shopping versprochen worden und so liefen wir den Weg zum Hostel von Laden zu Laden nach Hause.
Am Abend fanden wir dann heraus, dass wir am nächsten Tage wieder nicht würden ausschlafen können, was eigentlich geplant gewesen war. Aber die Busse nach Munnar, noch weiter oben in den Bergen, fahren nur am Morgen, und so stiegen wir heute früh in Kumily in den Bus und schraubten uns durch Kardamomplantagen, Teefelder und engen Engelstrompeten-Gassen noch weiter in die Höhe, in eine beeindruckende Umgebung aus riesigen Teeplantagen.
Aber dazu gibt es mehr beim nächsten Mal, und dann auch mit Bildern, wie immer. Soweit heute mal so lang.
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